Senatsbaudirektorenträume
Von der Architekturbiennale in Venedig nach Berlin: Rem Koolhaas präsentiert Architektur im Auftrag der Öffentlichkeit in St. Agnes
Auf der Biennale von Venedig im letzten Jahr machte der niederländische Stararchitekt Rem Koolhaas eine gute Figur. Mit seiner Ausstellung „Public Works – Architecture by Civil Servants“ hat er nicht nur die selten beachtete Baukunst von Angestellten im Dienste der Bürokratie in den Vordergrund gestellt, sondern sich mit seiner in aufwändiger Recherche verwurzelten Arbeit auch als Leiter für die 14. Internationale Architekturausstellung empfohlen, die 2014 in der Lagunenstadt abgehalten wird.
In Berlin wird die Schau nun an einem Ort gezeigt, der selbst Gegenstand dieses Rückblicks auf Entwürfe aus der Feder kommunaler Bauämter ist: die Kirche St. Agnes in der Kreuzberger Luisenstadt. Nachdem dort die Trümmer des Zweiten Weltkriegs weggeräumt waren, fungierte das Quartier als Ort modernster Stadtplanung. Auf der Brache konnte entstehen, was in den frühen 1960er Jahre en vogue war: der funktional entmischte Stadtraum, das lichte und luftige Wohnen in locker angeordneten Neubauten, die urbane Parklandschaft statt miefiger Blockrandbebauung. In dieses Projekt durfte Werner Düttmann den sakralen Akzent pflanzen, mit einem der heiligen Agnes von Rom geweihten und 1967 eröffneten Gemeindezentrum.
Die Ausstellung war Rem Koolhaas’ Beitrag auf der 13. Architekturbiennale von Venedig.
Als Senatsbaudirektor von 1960 bis 1966 hatte Düttmann den Wiederaufbau und die Raumordnung in West-Berlin maßgeblich mitgeprägt. Er baute u. a. das Marshall-Haus auf dem Messegelände, die Verkehrsleitkanzel über dem Ku’damm, das Brücke-Museum in Dahlem, das Akademiegebäude im Hansa-Viertel und die Wohnbebauung am Mehringplatz.
St. Agnes gehört zu seinen formal konzentriertesten Entwürfen. Mehrere Quader gruppieren sich um einen Innenhof. Dem schmucklos massiven Riegel der Kirche verleiht ein wuchtiger Turm Nachdruck, über dem ein Kubus zu schweben scheint. Der knapp 800 Quadratmeter große Kirchenraum abstrahiert den traditionellen Typus einer dreischiffigen Basilika als Stahlskelettbau, der modernes Pathos über kolossale Wandvorhänge aus Zementspritzputz und die Belichtung durch schmale Fensterbänder bezieht.
In die archaische Trutzburg will noch in diesem Jahr die Galerie Johann König als neuer Eigentümer einziehen. Der Architekt Arno Brandlhuber wurde mit dem Umbau in eine Ausstellungshalle beauftragt. Wie schwer aber dieser Raum zu bespielen ist, lässt sich schon jetzt absehen. Denn anders als im klassischen White Cube einer Galerie werden sich Bilder, Skulpturen und Installationen immer der Monumentalität dieser dominanten Architektur entgegensetzen müssen.
Ambition und ästhetischer Aufbruch
Den Acrylglasaufstellern, hängenden Fotografien und Tischvitrinen der Ausstellung „Public Works“ gelingt dies nur bedingt. In Venedig integrierten die Kuratoren Reinier de Graaf und Laura Baird aus Koolhaas’ Office for Metropolitan Architecture die Exponate in die Fototapetenillusion einer mit Graffiti besprühten Betonhalle, wo sie so auch im Sinne einer urbanen Rebellion inszeniert wurden. Was dort leicht und filigran erschien, wirkt hier im ehemaligen Gottesdienstsaal leider lapidar und schlecht beleuchtet.
Dabei lohnt sich die Ausstellung doch sehr. Denn die Dokumentation von Gebäuden wie der expressiven Hayward Gallery und dem minimalistischen Faraday Memorial in London, der eleganten Akademie der Künste in Berlin-Tiergarten oder dem brutalistischen Finanzministerium in Amsterdam richtet den Fokus auf eine Zeit, in der in den städtischen Baudirektionen anstelle der bloßen Verwaltung von Investorenansprüchen noch Ambition und ästhetischer Aufbruch zu spüren war.
„Public Works – Architecture by Civil Servants“, Ausstellung von OMA/AMO, noch bis 14. April 2013, Mi.-So., 11-18 Uhr, St. Agnes, Alexandrinenstr. 118-121, 10969 Berlin