Marcus Woeller
Kunsthistoriker & Journalist
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    Galerierundgang, Kolumne vom 4. Juli 2013, Berlin

    Galerierundgang, Kolumne vom 4. Juli 2013, Berlin

    4. Juli 2013
    Author: marcus
    Category: Kunst
    Tags: Dekoration, Diskurs, Galerierundgang, Kitsch, Kunst, Kunstgeschichte, Malerei, Marius Babias, Michael Diers, Neuer Berliner Kunstverein, Prozess, Selbstmord, Tod, Universität der Künste, Valérie Favre

    Gestorben wird immer

    taz-Kolumne Kunst: Marcus Woeller schaut sich in den Galerien von Berlin um.

    Gründe, den Tod der Malerei zu besingen gibt es viele. Aber dafür in eine Ausstellung mit Malerei zu laden, ist doch einigermaßen zynisch. Marius Babias, Kurator des Neuen Berliner Kunstvereins n.b.k., hat die Ausstellung mit 129 kleinformatigen Ölgemälden der Schweizer Künstlerin und Professorin für Malerei an der Universität der Künste Valérie Favre zwar kuratiert, scheint aber ob seiner allerersten Präsentation dieser klassischen Form enormen Rechtfertigungsdruck zu verspüren. Zur Einstimmung auf einen Vortrag mit dem Titel „Das Dilemma der Malerei, heute“ betonte Babias in der letzten Woche ziemlich kaltschnäuzig, dass er die Malerei für eine mehr oder weniger überkommene Disziplin halte, weshalb er auch lieber „diskursive“ Kunst zeige. Der Redner Michael Diers, Professor für Kunstgeschichte in Berlin und Hamburg, wies die Einschätzung, dass auch er sich nicht für Malerei interessiere, zwar postwendend zurück, versuchte dann aber seinerseits zu argumentieren, dass ihr im Vergleich zu den neueren Medien heutzutage nur wenig gelinge. Die Kritik an der Gattung ist noch dieselbe wie vor fünfzig Jahren, als der Niedergang im Angesicht bewegter Bilder, Happenings und Installationskunstwerke eingeleitet wurde. Zu dekorativ sei sie, zu sehr mit sich selbst beschäftigt und dann auch noch zu gut verkäuflich am Kunstmarkt. Dabei sind eitler Kitsch oder akademische Selbstreferenzialität auch bei Videokunst, Fotografie oder Performance zu diagnostizieren. Das eigentliche Dilemma der Malerei ist die Tatsache, dass sie sich zu leicht diskreditieren und ins Bockshorn der momentan so beliebten „prozessorientierten“ Kunst jagen lässt.

    Valérie Favre widersteht der malereifeindlichen Atmosphäre des Neuen Berliner Kunstvereins.

    Valérie Favre blieb im Publikum jedoch mit der Gelassenheit der Malerin ungerührt von allen Zweifeln an ihrem Metier. Ihre Serie „Selbstmord. Suicide.“ beschäftigt sich auf sinnlich-subjektive wie enzyklopädische Weise mit dem eigenbestimmten Ableben. Favre bezieht sich auf prominente Selbstmorde, formale Prinzipien der Selbstauslöschung und ihren emotionalen Widerhall. Jedes Bild kann als einzelnes Werk gesehen werden, aber auch als Teil einer Installation, denn die Gemälde nehmen auch untereinander Beziehungen auf. Die Aura des Todes, vor allem des unbeschreiblich egoistischen wie souveränen Aktes den Zeitpunkt und Ort sowie die Ursache selbst zu wählen, sublimiert sie auf die auratische Ebene des einzigartigen Bildes. In der malereifeindlichen Atmosphäre des n.b.k. kann man die strenge Reihe der Sterbebildchen nun auch als Protest sehen. Denn Totgesagte leben bekanntlich länger!

    Bis 28. Juli, Di. – So. 12 – 18 Uhr, Do. 12 – 20 Uhr, Neuer Berliner Kunstverein, Chausseestr. 128/129, 10115 Berlin; die Vortragsreihe „Das Dilemma der Malerei, heute“ wird in unregelmäßigen Abständen fortgesetzt. (Foto: Hans-Georg Gaul. Valérie Favre, “Selbstmord”, 2003-2013, Ausstellungsansicht Neuer Berliner Kunstverein, 2013)

    (die tageszeitung)

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    Marcus Woeller

    Ich lebe in Berlin und arbeite als freier Journalist und Redakteur. Meine Reportagen, Berichte und Kritiken über Kunst und Architektur, Mode und Design, Räume und Orte, Essen und Trinken habe ich in der tageszeitung, der Welt und der Welt am Sonntag, der Frankfurter Rundschau, dem Tages-Anzeiger Zürich, der Berliner Morgenpost, bei artnet und anderen Onlinemedien veröffentlicht Als Kulturredakteur und Textchef gab ich dem Magazin Style and the Family Tunes Inhalt und Schliff. Ich habe als Videoredakteur gearbeitet und das Projektmanagement für verschiedene Corporate-Publishing-Formate geleitet.

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