Besser genau hinschauen
taz-Kolumne Kunst: Marcus Woeller schaut sich in den Galerien von Berlin um.
In seiner Ausstellung “Cloud Cities” bespielte Tomás Saraceno 2011 die monumentale Halle des Hamburger Bahnhofs noch mit großer Geste. Kleiner als gigantisch ging es damals nicht. Netze, Blasen, sloterdijksche Sphären allerorten. Spektakelkunst zum Mitmachen. Immer auf der Grenze zwischen Traum, Größenwahn und Hokuspokus. Nun hat er sich mit “Social .. Quasi Social … Solitary … Spiders … on Hybrid Cosmic Webs” ins Kleinformat versponnen, weniger megaloman ist sein Anspruch dennoch nicht. In der Galerie Esther Schipper stellt Saraceno echte Spinnennetze aus, angefertigt von exotischem Getier, unter Anleitung des Meisters selbst, seinen Arachnologen im Studio – und natürlich dem animalischen Drang der Spinnen selbst zu spinnen, was das Zeug hält. Leider hält es nicht immer, manche Netze sahen schon am Eröffnungstag eher ramponiert aus. Die Galerie ist verdunkelt. Die Netze sind in Schneewittchensärgen aufgebahrt, dramatisch ausgeleuchtet. So gerät das Wunder der Natur im schwarzen Theater zum Wissenschaftskitsch. Sonst traumwandlerisch unterwegs auf dem Grat zwischen Kunst und Utopie, ist sich Saraceno nun selbst in die Fänge gegangen.
Galerie Micky Schubert, bis 20.4., Di.-Sa., 12-18 Uhr, Bartningallee 2-4; Galerie Esther Schipper, bis 13. 4., Di.-Sa., 11-18 Uhr, Schöneberger Ufer 65. (Foto: Tomás Saraceno, Installationsansicht Galerie Esther Schipper, Berlin)