Marcus Woeller
Kunsthistoriker & Journalist
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    "Die Möbius Affäre", Thriller von Éric Rochant

    “Die Möbius Affäre”, Thriller von Éric Rochant

    5. August 2013
    Author: marcus
    Category: Film
    Tags: Brüssel, Cecile de France, CIA, Die Möbius Affäre, Éric Rochant, Film, Finanzkrise, Fläche, FSB, Jean Dujardin, Kante, Möbiusband, Monaco, Monte Carlo, Moskau, Spionage, Thriller, Tim Roth

    Spionage in der Differentialgeometrie

    Ein Möbiusband hat nur eine Seite und ist nicht orientierbar. Wie die Figuren im eleganten Geheimdienst-Thriller  „Die Möbius Affäre“ von Éric Rochant

    Wer auf einem Möbiusband läuft, kann nicht die Seiten wechseln. In dieser Gewissheit inszenierte Éric Rochant eine sehr gegenwärtige Spionagegeschichte. Da stehen zwar immer noch Russen gegen Amerikaner, doch die bilaterale Gegensätzlichkeit von früher ist passé. „Die Möbius Affäre“ observiert einen Geheimdienst-Coup von heute, der die Seitenzugehörigkeit in Zeiten einer globalen Finanz- und Informationskrise infragestellt.

    Aber zurück aufs Möbiusband. Dieser scheinbar dreidimensionale Ringkörper hat tatsächlich nur eine Seite. Denn anders als bei einem gewöhnlichen Ring, ist hier die Bandstruktur einmal um 180 Grad gedreht – mit mathematisch und physikalisch phänomenalen Folgen. Verschlungen im Raum, besitzt das Möbiusband nur eine Fläche und auch nur eine Kante. Es ist nicht orientierbar, würde die Differentialgeometrie sagen. Wir aber befinden uns in der Welt von CIA und FSB. Hier werden keine Vektoren verschoben, sondern Agenten und Informanten. Und deren Nicht-Orientierbarkeit äußert sich in totaler Orientierungslosigkeit. Die sie aber nicht so schnell merken, denn sie glauben, sie befinden sich auf einer fassbaren Fläche. Doch der Raum krümmt sich.

    Éric Rochant besetzt Cécile de France, Tim Roth und Jean Dujardin

    Alice Redmond (Cécile de France) hat sich bisher an der Krümmung eher finanzieller Welten beteiligt. Als Traderin und Entwicklerin dubioser Derivate hatte sie die Bankenkrise in den Vereinigten Staaten mitverantwortet und ist auch ein bisschen stolz darauf. Als Bauernopfer musste sie dann aber abtauchen und stellt ihre Expertise nun in den Dienst einer Bank des russischen Gas-Investors Ivan Rostovski (Tim Roth), die von Monaco aus versucht, sein schmutziges Geld zu waschen. Der Top-Spion Grégory Lioubov alias Moïse (Jean Dujardin) soll im Auftrag der KGB-Nachfolgeinstitution FSB Beweise für die kriminellen Machenschaften Rostovskis sammeln und versucht in einer verdeckten Aktion Alice als Maulwurf zu instrumentalisieren. Doch einige Beteiligte spielen ein doppeltes Spiel. Alice hat sich bereits von der CIA anwerben lassen, die Rostovski ebenfalls das Handwerk legen will. Der ist natürlich aus tiefster Oligarchenseele misstrauisch gegenüber allen Fremden, die sich allzu sehr für seine Geschäfte interessieren. Den weiblichen Reizen von Alice kann er sich jedoch nicht entziehen. Und Moïse, der die Geheimdienstarbeit von der militärischen Pike auf gelernt hat und seinem väterlichen Boss (der freilich auch etwas im Schilde führt) bedingungslos ergeben ist, erlebt so etwas wie eine Sinnkrise, die ihn die goldene Regel verletzen lässt: Er verliebt sich in seinen Lockvogel.

    Doch zurück aufs Möbiusband. Doppelte Spiele funktionieren hier noch weniger als im gewohnten Katz-und-Maus-Spiel frühere Geheimdiensttage als der Krieg zwar kalt war, aber nicht so eisig wie in der digitalen Überwachungsrealität von heute. Trauen konnte man damals seinen Feinden mehr als heutzutage den vermeintlichen Freunden. Aber die Lust am Spiel ist die gleiche geblieben. Alice reizt der Nervenkitzel, Skrupel lernt sie erst kennen als es schon zu spät ist. Und Moïses Nibelungentreue wird erst angekratzt, als er die Liebe spürt. Dass beide ein Happy-End erwarten, ist allerdings zu kurz gedacht. Sie müssen erfahren, dass es auf dem Möbiusband weder ein Oben noch ein Unten, ein Rechts oder Links gibt, geschweige denn ein Ende.

    Derivate traden und Agenten verschieben

    Der französische Regisseur Éric Rochant hat seinen Film als eleganten Thriller gedreht. Den klassischen Versatzstücken des Genre bleibt er treu: Es gibt Träumer und Rächer, Lügner und Verräter. Im Zentrum strahlt wie beim deutlichen Vorbild Alfred Hitchcock eine schöne, blonde Frau: Die belgische Schauspielerin Cécile de France gibt die Finanzjongleurin als cool-charmante Verführerin. Sie macht „Die Möbius Affäre“ auch zur romantischen Liebesgeschichte. Jean Dujardin, der sich nicht auf Rollen wie im Kunstfilm „The Artist“ festlegen will, macht sich gut als französische Antwort auf George Clooney und ist ihr perfekter Partner. Und Tim Roths Ähnlichkeit mit Roman Abramowitsch schlägt den Bogen in eine Realität, in der die Oligarchen in Russland reich wurden, in Steueroasen ihr Geld vermehrten und sich schließlich nach England flüchten, wenn die Beziehungen zu Staat und Macht abkühlen.

    Vor den Kulissen eines opulenten Monte Carlos, eines prosperierend großtuerischen Moskaus und eines irgendwie EU-mäßig abgehalfterten Brüssels gelingt der „Möbius Affäre“ erfolgreich die Neuinterpretation des Spionagefilms. Rochant hatte sich 1994 mit „Staatsauftrag: Mord“ schon einmal mit dem Thema befasst. Die Zeiten haben sich geändert, doch er glaube, „dass das Genre noch eine große Zukunft hat. Das wird es so lange geben, wie es Spionage gibt.“ Die hat sich schließlich von der Politik nur auf die Ökonomie verlagert, ist mit NSA und PRISM aus einem eher fiktional anmutenden Spartendasein aber auch ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung gelangt.

    Éric Rochant, “Die Möbius Affäre“, ab 1. August 2013 im Kino, 103 Min., Frankreich 2013, mit Jean Dujardin, Cécile de France, Tim Roth, Émilie Dequenne, Wendell Pierce u. a. (Foto: © 2013 PROKINO Filmverleih GmbH)

    (kunst+film)

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    Marcus Woeller

    Ich lebe in Berlin und arbeite als freier Journalist und Redakteur. Meine Reportagen, Berichte und Kritiken über Kunst und Architektur, Mode und Design, Räume und Orte, Essen und Trinken habe ich in der tageszeitung, der Welt und der Welt am Sonntag, der Frankfurter Rundschau, dem Tages-Anzeiger Zürich, der Berliner Morgenpost, bei artnet und anderen Onlinemedien veröffentlicht Als Kulturredakteur und Textchef gab ich dem Magazin Style and the Family Tunes Inhalt und Schliff. Ich habe als Videoredakteur gearbeitet und das Projektmanagement für verschiedene Corporate-Publishing-Formate geleitet.

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